Amateurblasmusikwesen in der ehemaligen DDR

Aus Stabführer.de

Auszüge aus einem Referat auf der 14. Konferenz der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der Blasmusik (IGEB) vom 17. bis 22. Juli 2000 in Bad Waltersdorf / Steiermark, Österreich. (abgedruckt in Sachsens Bläserpost Bläserpost 02/2003, Artikel 1 und 03/2003, Artikel 23 von Werner Kunath)

ToDo: Anpassung Struktur/Formatierung und Querverweise; Genehmigung ausstehend, daher einstweilen gelöscht

VORBEMERKUNGEN

Über vierzig Jahre Amateurblasmusik in einem Teil Deutschlands, der ehemaligen DDR, sind ein Zeitabschnitt Blasmusikgeschichte, den man nicht negieren kann. Viele Tausende Amateurmusiker haben in diesen Jahrzehnten aktiv Blasmusik aller Genres betrieben und erlebt. Sie war ihnen mehr als nur Hobby. Diese Zeit kann aus dem Leben dieser musikbegeisterten Menschen nicht einfach gestrichen werden, sind doch dadurch auch viele Jugendliche musisch geprägt worden. Deshalb auch dieser Bericht. Es ist keine „Ostalgie“, sondern korrekt belegbare Darstellung einer Periode der Blasmusikentwicklung im Osten deutschlands.

ZUR GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG

Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 erwachte allmählich wieder das kulturelle Leben, die Bedingungen für die Existenz von Blasorchestern normalisierte sich einigermaßen. Orchester, die schon auf eine längere Tradition zurück blicken konnten, begannen sich wiederzufinden, Jugendorchester wurden neu gegründet. Das Interesse am Musizieren und die Bedürfnisse nach Musikhören wuchsen mit der Entwicklung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Blasmusik wurde zum beliebten Musikgenre bei Veranstaltungen aller Art. Ohne diese Voraussetzungen hätte der heutige Stand der Blasmusik in den ostdeutschen Bundesländern nicht erreicht werden können. Sachsen und auch Thüringen nahmen dabei immer eine Art Vorreiterrolle ein.

FÖRDERUNG

Der gesamte Amateurmusikbereich wurde von staatlicher Seite sehr gefördert. Das bedeutete Subventionen über die sogenannten Trägerorganisationen und Trägerbetriebe für die ihnen angeschlossenen Klangkörper. Es wurden Finanzmittel für Instrumentankauf und -reparatur , Bekleidung, Notenkauf, Probenlager, Kompositions- und Arrangementsaufträge und für Instrumentallehrer zugewiesen. Probenräume standen unentgeltlich zur Verfügung, Arbeitsfreistellungen für Orchesterbelange waren garantiert (GBA § 182, Abs. 2), bei voller Lohnfortzahlung. (Für die angeführten Zwecke erhielt z. B. das Reichsbahnorchester Leipzig jährlich 32.000,- bis 34.000,- Mark der DDR.) Die Klangkörper der Organisationen wurden zentral mit Orchesterbekleidung / Uniformen und Instrumenten ausgestattet. Eine ganze Anzahl von Dirigenten und Ausbildern hatte bei diesen Organisationen, Institutionen und Betrieben hauptamtliche Stellen oder war auf Honorarbasis tätig.

STRUKTUREN

Die verschiedenen Klangkörper wie Jugendblasorchester, Erwachsenenorchester / Musikkorps, Fanfarenorchester, Fanfarenzüge, Spielmannszüge, Schalmeienkapellen, Jagdhornbläsergruppen usw. waren organisiert

- im Jugendverband („Freie Deutsche Jugend“ = FDJ),

- im Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB),

- in der Gesellschaft für Sport- und Technik (GST, Organisation für vormilitärische Ausbildung, deshalb auch der Militärmusik zugeordnet),

- in der Gewerkschaft Bergbau,

- in der Gewerkschaft Wismut,

- bei der Obersten Jagdbehörde,

- in der Freiwilligen Feuerwehr.

Die zentralen Leitungen dieser Organisationen hatten Fachabteilungen für Musik / Volkskunst, die für die Förderung und künstlerische Entwicklung ihres Bereiches verantwortlich waren. Die vielen Betriebsorchester, die Stadt- und Dorfkapellen wurden regional und auch zentral durch die Kreisarbeitsgemeinschaft (KAG) für Blasmusik, die Bezirksarbeitsgemeinschaft (BAG) für Blasmusik und die Zentrale Arbeitsgemeinschaft (ZAG) für Blasmusik betreut und angeleitet. (Z.B. Weiterbildungslehrgänge, Literaturberatung, Leistungsvergleiche mit Einstufungen der Orchester, Organisation von Blasmusikfesten, Orchesterwerkstätten.) Die Arbeitsgemeinschaften, die sich aus Fachexperten zusammensetzten, waren ehrenamtlich tätig und den hauptamtlichen Kreis- und Bezirkskabinetten bzw. Kulturämtern angeschlossen. Spezielle Aufgaben wie Forschung und Entwicklung, Symposien, zentrale Fachtagungen, Förderung von Komponisten und Arrangeuren und neuer Blasmusikwerke oblagen dem Zentralhaus für Kulturarbeit in Leipzig, der Volkskunstakademie der DDR und der Kommission Blasmusik des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler, und schließlich dem Ministerium für Kultur. Die Blasmusik hatte Ende der 60er Jahre bereits eine beachtliche Breite erreicht und erfreute sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit. Sie war fester Bestandteil des kulturellen Lebens geworden. Eine Erhebung des Jahres 1980 zählte 1510 Blasorchester und -kapellen mit ca. 40.000 Aktiven, wovon ca. die Hälfte Jugendliche waren.

Eine schriftliche Befragung Ende 1989 /Anfang 1990 der Kulturämter der insgesamt 38 Kreise der damaligen Bezirke Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt (jetzt Chemnitz), denen die heutigen gleichnamigen Regierungspräsidien des Freistaates Sachsen entsprechen, ergab als Resultat 229 Klangkörper. Davon waren

- 29 Betriebsblasorchester,

- 28 Jugendblasorchester,

- 8 Fanfarenzüge,

- 3 Fanfarenorchester,

- 14 Spielmannszüge,

- 12 Schalmeienkapellen,

- 16 Jagdhornbläsergruppen.

- 20 Musikzüge der Freiwilligen Feuerwehr,

- 99 Stadtorchester und Dorfkapellen.

Durch Privatisierung, Umstrukturierung und Auflösung von Betrieben und Kombinaten lösten sich die meisten Betriebsblasorchester auf (in Leipzig allein 6 Orchester), da sie keine Existenzgrundlage mehr hatten. Viele Jugendblasorchester, Stadtorchester, Dorfkapellen usw. gründeten ab Mitte 1990 Musikvereine, um ihr Weiterbestehen zu sichern. Bei Anzahl und Dislozierung der Blasorchester gab es ein deutliches Süd-Nord-Gefälle. Vor allem im Erzgebirge, im Vogtland und im Thüringer Wald dominierten die Blaskapellen in Stärke von 15 - 30 Musikern. Im Norden (nördliches Brandenburg, Mecklenburg / Vorpommern) überwogen die Spielmanns- und Fanfarenzüge. Die leistungsstarken Blasorchester mit 44 - 55 Musikern bestanden vorwiegend in größeren Städten und Gemeinden.

JUGENDVERBAND

Dem Jugendverband „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) mit der angeschlossenen „Pionierorganisation Ernst Thälmann“ (bis 14 Jahre) gehörten fast ausschließlich alle Jugend- und Kinderorchester an. Die Struktur baute sich auf:

- Jugendblasorchester / Pionierorchester,

- Bezirksmusikkorps,

- Zentrales Musikkorps.

Jeder der 15 Bezirke der DDR (Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Potsdam, Frankfurt/Oder, Cottbus, Magdeburg, Halle, Erfurt, Gera, Suhl, Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt (jetzt Chemnitz), Berlin) hatten ein Bezirksmusikkorps mit einem bei der Bezirksleitung der FDJ hauptamtlich angestellten Leiter. In den Bezirksmusikkorps waren die Orchester des jeweiligen Bezirkes zusammengefasst. Die besten Orchester wurden in das Zentrale Musikkorps berufen. Daraus bildete man zu ganz besonderen Anlässen (Auslandsreisen, spezielle Festveranstaltungen) ein Auswahlorchester.

Große Verdienste beim Aufbau der gesamten Jugendblasmusik hatte GMD Hans Helmuth Hunger (geb. 14.08.1920, Markersbach / Erzgebirge), der ehemalige erste Chef des Zentralen Orchesters der Nationalen Volksarmee Berlin (1953 - 1958), der sich mit Engagement und Erfolg bis 1989/90 dieser Aufgabe widmete. Als Komponist und Arrangeur schuf er in den über drei Jahrzehnten seiner Tätigkeit ein umfangreiches einheitliches Grundrepertoire für alle Jugendblasorchester der FDJ. Dadurch war es ohne große Umstände möglich, Gemeinschaftskonzerte, Rasenshows, Musikantenparaden durchzuführen.

Aus Sachsen zählten damals zu den führenden Jugendblasorchestern

JBO Bernsdorf,

JBO Thum,

JBO Bautzen,

JBO Görlitz,

JBO Zwickau,

JBO Dresden,

Fanfarenorchester Leipzig (heute JBO Leipzig)

Fanfarenorchester Grimma (heute JBO Grimma)

Spielmannszug Chemnitz.

Die Aus- und Weiterbildung der Dirigenten und Stabführer erfolgte in zentralen Lehrgängen oder in bezirklichen Institutionen. Für die Qualifizierung der Musiker und die Ausbildung des Nachwuchses standen Mittel für die Verpflichtung von Honorarlehrern zur Verfügung. Zur Leistungssteigerung der Klangkörper wurden Wochenendlehrgänge und in den Schulferien Probenlager durchgeführt, zu denen Berufskapellmeister als Dozenten vertraglich gebunden wurden. In unregelmäßigen Abständen fanden Leistungsvergleiche mit Einstufungen statt.

Bei allen großen gesellschaftlichen Veranstaltungen im Republikmaßstab wurde das Zentrale Musikkorps eingesetzt, bei ähnlichen Anlässen auf Bezirksebene traten die Bezirksmusikkorps auf. Man neigt dabei zu Massenaufmärschen und choreografisch gestalteten Massen-Musikshows. Zu den X. Weltfestspielen der Jugend im August 1973 wurde ein Großkonzert mit 2000 Musikern und 400 jungen Tänzerinnen aufgeführt. Am 10.06.1974 gestaltete das Zentrale Musikkorps mit allen Bezirksmusikkorps als Abschluss des Nationalen Jugendfestivals eine monströse Musik-und Tanz-Show mit 11000 jungen Musikern und Musikerinnen in einem Berliner Stadion. Die Programme solcher Veranstaltungen waren bunt gemischt, von Volksmusik über Schlagerhits bis zu konzertanten Titeln. Es wurde vorgegeben, dass mindestens einige politische („sozialistische“) Arbeiter- und / oder Jugendlieder enthalten waren. Bei den Auftritten der einzelnen Jugendblasorchester in ihren heimatlichen Spielbereichen wurde das wenig beachtet. Für diese Veranstaltungen konnten Verträge für Fördergelder nach dem Gesetzblatt der DDR, Teil II, Nr.48 vom 7.6.1973 abgeschlossen werden.

Auslandsreisen der Jugendorchester waren keine Seltenheit. Allerdings kamen dafür nur die Ostländer in Betracht: UdSSR, CSSR, Polen, Bulgarien, Ungarn, Rumänien. Ab Mitte der 80er Jahre trat für Österreich und Schweden eine Lockerung ein.

DEUTSCHER TURN- UND SPORTBUND (DTSB)

Im DTSB waren vorwiegend Spielmannszüge, Fanfarenzüge und Schalmeienkapellen organisiert, nur wenige Blasorchester. Ihren Spielbereich bildeten in erster Linie die Umrahmung von Sportveranstaltungen und Sportfesten, regional und zentral. Außerdem traten die Klangkörper auch bei Volksfesten und ähnlichen Anlässen auf. Regelmäßig wurden Wettbewerbe / Leistungsvergleiche durchgeführt. Bis Anfang der 70er Jahre waren bei den Spielmannszügen allgemein die bekannten alten Holzflöten in Des in Gebrauch. Dann begann man nach und nach auf Sopran-Metallflöten (Pikkolo) in C mit zusätzlichem B-Kopf umzurüsten. Alt- und Tenor-Flöten waren damals noch nicht üblich. Es wurde in der traditionellen Besetzung musiziert. Das Repertoire erweiterte sich vor allem durch den Einfluss des Spielmannszuges der Stadtkommandantur Berlin der Armee von reiner Marschmusik auf Titel der Unterhaltungsmusik, bearbeitet für 2-3 stimmigen Flötensatz. Einige Spielmannszüge setzten auch große Trommel und Becken ein. Die Fanfarenzüge benutzten zum großen Teil Naturfanfaren, dazu diverses Schlagzeug. Nur wenige Züge verwendeten ab 1970 / 71 auch Ventilfanfaren. Der Bundesvorstand des DTSB gab für alle seine Klangkörper einheitliches Notenmaterial (Marschbücher) heraus. Fachliche Anleitung erhielten die Spielmannszüge durch ehemalige Angehörige des Spielmannszuges der Stadtkommandantur Berlin. In diesem Zug dienten fast ausschließlich Zeitsoldaten mit dreijähriger Verpflichtung, die durch die Musiker des Zentralen Orchesters der Armee eine hervorragende Ausbildung erhielten. Nach Ablauf ihrer Dienstzeit wurden sie als Leiter / Stabführer oder Ausbilder in den SZ des DTSB eingesetzt. Dadurch wurde auch eine ausgezeichnete Marschordnung erreicht, die die SZ des DTSB besonders kennzeichnete.

GESELLSCHAFT FÜR SPORT UND TECHNIK

Die GST war als Organisation für vormilitärische Ausbildung dem Ministerium für Verteidigung angeschlossen, hatte aber mit dem Zentralvorstand eine selbständige Leitung.

Es bestanden die Ausbildungssektionen: Militärische Grundausbildung / Geländesport, Schießsport, Motorsport (Militärkraftfahrer), Seesport, Motorflug, Segelflug, Tauchsport, Fallschirmspringen, Nachrichtenwesen, Modellbau (Schiffs- und Flugzeug).

Bei Antritt ihrer Armeedienstzeit wurden diese voll ausgebildeten Jugendlichen in die entsprechenden Truppenteile / Einheiten eingewiesen. Aus ihren Reihen gingen später Unterführer und Offiziersbewerber hervor. Im Jahre 1980 wurde der Leiter des GST-Orchesters der Universität Leipzig, Kammervirtuos Heinz Schönekerl (Solo-Kontrabassist Rundfunksinfonieorchester Leipzig), vom Zentralvorstand der GST beauftragt, alle schon bestehenden GST-Orchester zentral zu organisieren. Eine Orchesterordnung (Dienstvorschrift) in der alle Aufgaben und Rechte der Orchester festgelegt waren, wurde erarbeitet und verabschiedet. Im Oktober 1983 berief der Vorsitzende des Zentralvorstandes, Vizeadmiral Kutschebauch, im Einverständnis mit dem Ministerium für Verteidigung den Chef des Stabsmusikkorps der Landstreitkräfte der Armee, Oberstleutnant MD Werner Kunath, zum Musikinspizienten und Abteilungsleiter für GST-Musik und beauftragte ihn ein Zentrales Orchester aufzubauen, dessen Leitung zu übernehmen und die Orchester nach militärischem Vorbild zu strukturieren. Der Musikinspizient hatte dieselben Befugnisse wie der Musikinspizient der Armee. Die Orchesterordnung wurde aktualisiert und konkretisiert. Die Orchester bildeten selbständige Grundorganisationen und waren den zuständigen Kreis- und Bezirksvorständen angeschlossen. 1983 bis 1989 existierten 40 Klangkörper verschiedener Besetzungen, verteilt auf das gesamte Gebiet der Republik. Davon waren:

25 Blasorchester, 6 Fanfarenorchester, 3 Fanfarenzüge, 3 Spielmannszüge, 3 Schalmeienorchester, mit insgesamt 1520 Musikern.

Aus den besten Blasorchestern wurden die fähigsten Musiker in das Zentrale Orchester berufen (große sinfonische BO-Besetzung mit 80 Musikern). Die größten und leistungsstärksten Orchester waren:

Halle, Kamenz, Wittstock / Bez. Potsdam, Hergigsdorf / bei Eisleben, Walldorf-Meiningen, Eisenhüttenstadt / Bez. Frankfurt, Halberstadt, Neubrandenburg, Zwickau / Wilkau –Haßlau.

Die Leitungen bestanden aus Leiter, stellv. Leiter, Korpsführer, Vorsitzenden der Grundorganisation. Zur Qualifizierung der Leiter / Dirigenten wurden jährlich 2 Wochendlehrgänge durch den Musikinspizienten durchgeführt. Zu dieser Ausbildung gehörte auch Musikexerzieren auf der Grundlage der Militärmusikordnung der Armee. Die Teilnahme an allen Qualifizierungsmaßnahmen war Pflicht. Die Leiter waren bei den Kreis- oder Bezirksvorständen hauptamtlichangestellt oder arbeiteten auf Honorarbasis. Wirksame Hilfe leisteten Militärmusiker, die nach ihrem Ausscheiden aus der Armee in GST-Orchester eintraten. Für die Klangkörper galt eine Einstellung in 2 Leistungsklassen. Aller 2 Jahre wurden zentrale Leistungsvergleiche durchgeführt und Einstufungen neu vorgenommen. Dabei wurde auch Musikexerzieren verlangt. Der Musikinspizient erstellte eine einheitliches Grundrepertoire, orientiert an der Militärmusik, aus dem jährlich 4 Pflichttitel ausgewählt wurden. Er schuf auch ein musikalisches Zeremoniell ähnlich dem Großen Zapfenstreich der Armee, das Große GST-Signal, das als Höhepunkt bei allen Großveranstaltungen der GST aufgeführt wurde. Einbezogen waren dabei die Spielmannszüge, Fanfarenorchester, die vereinigten Blasorchester und Fanfarengruppen und Pauken. Zu besonderen Veranstaltungen, wie nationale und internationale Jugendfestivals, Weltfestspiele, zentrale Sportfeste, Spartakiaden, Kongresse wurden entweder das Zentrale Orchester oder ein vereinigtes Orchester, betsehend aus allen Musiksparten, eingesetzt. Im Gegensatz zur FDJ hatte die Gestaltung dieser Veranstaltungen, Aufmärsche usw. militärischen Charakter. Die Einsätze der Klangkörper in ihren Standortbereichen waren ebenso vielfältig wie die der zivilen Orchester. Orchesterkleidung und Instrumentarium stellte für alle Klangkörper der Zentralvorstand. Die Grundausrüstung in Bekleidung bestand aus graublauer Hose / Rock, hellblauer Jacke, weißer Jacke, grauen und weißen Oberhemden, dunkelrotem Binder, schwarzen Schuhen und weißen Stiefeln für Musikerinnen, graublaue Dienstuniform. Instrumente wurden zentral bei der Musikinstrumentenindustrie Markneukirchen / Klingenthal bestellt und laut Anforderungen der Orchester an sie ausgeliefert. Es bestand außerdem ein zentraler ständiger Instrumentenfundus, so dass bei Ausfall sofort Ersatz gestellt werden konnte. Dafür standen jährlich ca. 40000 Mark vom Zentralvorstand zur Verfügung. Die Finanzierung der Klangkörper setzte sich aus jährlichen Mitteln des ZV, aus Zuwendungen von Trägerbetrieben/ -institutionen und kommunalen Kulturämtern und eingespielten Geldern zusammen. Die Mittel des ZV staffelten sich für die einzelnen Klangkörper nach Personalstärke, Besetzungsart und Leistungseinschätzung. 1985 und 1986 betrug die Gesamtsumme je 30.1000 Mark. Die Leitungen der Klangkörper konnten über diese Mittel, auch über die eingespielten Gelder, nach den betreffenden Festlegungen der Orchesterordnung selbst entscheiden.

BERGBAU / FORSTWIRTSCHAFT / JAGDBEHÖRDE

Die ältesten ostdeutschen Bergbaureviere (Erzbergbau) lagen im Erzgebirge, im nördlichen Erzgebirgsvorland (Sachsen) und im Mansfelder Land (Sachsen-Anhalt). Um 1200 wurden in Mansfeld nachweislich die ersten Kupfervorkommen entdeckt, bei Freiberg die ersten Silberfunde gemacht und 1240 bei Ehrenfriedersdorf (Erzgebirge) das erste Zinn geschürft. Ab 1515 begann im Raum Zwickau / Oelsnitz der Abbau von Steinkohle und um 1780 bei Freital (bei Dresden). Im vorigen Jahrhundert entstanden die Braunkohlereviere in der Lausitz (Hoyerswerda, Knappenrode, Senftenberg) und in der Region Borna (bei Leipzig), sowie die Kalibergwerke in der thüringischen Rhön (Merkers). In den genannten Gebieten entwickelte sich auch die Bergmusik. Schon ab dem 13. Jahrhundert entstanden die ersten Bergbrüderschaften / Bergknappschaften. Innerhalb dieser Vereinigung bildeten sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts Bergsängergruppen, später gemischte Instrumentalgruppen (Mitte 17. Jahrhundert) und angeregt durch die Entwicklung der Militärmusik schließlich reine Bläserbesetzungen. Im Jahre 1784 wurde in Freiberg durch das sächsische Oberbergamt ein 14 Mann zählendes Hautboistenkorps gegründet. Im Freitaler Revier ist 1822 ein Berghautboistenkorps mit 24 Bläsern nachgewiesen. Das Freiberger Berghautboistenkorps wurde in den Jahren 1821 / 22 neu strukturiert und verstärkt und wurde zum Vorbild für alle Bergbläsergruppen in den sächsischen und anhaltinischen Bergbaugebbieten. Die alten bergmännischen Traditionen, bei vielen Orchestern durch Zeitgeschehen oft unterbrochen, wurden in der DDR durch die wieder- oder neugegründeten Bergmannsblasorchester / Bergmusikkorps wiederbelebt. Organisiert waren die Orchester in der Industriegewerkschaft (IG) Bergbau. Die qualifiziertesten Orchester waren:

Bergmusikkorps Schneeberg, Bergmusikkorps Freiberg, Bergkapelle Thum, Bergkapelle Frohnau / Annaberg, Bergkapelle Johanngeorgenstadt, Bergkapelle Jöhstadt, Bergkapelle Seiffen, Bergkapelle Oelsnitz, Bergkapelle Pobershau, Hüttenkapelle Olbernhau / Grüntal, Bergkapelle Ehrenfriedersdorf, Bergmannsblasorchester Eisleben, Bergmannsblasorchester Sangerhausen, Bergmannsblasorchester Hoyerswerda, Bergmannsblasorchester Senftenberg.

Zur SDAG Wismut (Sowjetisch-Deutsche-Aktien-Gesellschaft, Uranabbau) gehörten:

Jugendblasorchester Bernsdorf, Bergmannsblasorchester Aue, Bergmannsblasorchester und Jugendblasorchester Zwickau.

Besonders gepflegt wurden die traditionellen Bergparaden, Bergaufzüge, die weihnachtlichen Lichtelfeste, Bergmetten und das Turmblasen, das Bergmusikfest zum Bergmannstag (1. Sonntag im Juli)

Das Repertoire bestand in erster Linie aus historischem und neuerem bergmännischen Musiziergut, wobei die typischen Bergmärsche eine Vorrangstellung einnahmen, und darüber hinaus auch aus dem gebräuchlichem Blasmusiktitelangebot. Die bekanntesten Bergmärsche:

- Mansfelder Bergmarsch,

- Schneeberger Bergmarsch,

- Freiberger Bergmarsch,

- Annaberger Bergmarsch,

- Schwarzenberger Bergmarsch,

- Thumer Bergmarsch,

- Jöhstädter Bergmarsch,

- Ehrenfriedersdorfer Bergmarsch,

- Neustädter Bergmarsch,

- Schneeberger Jubiläumsmarsch.

- Freiberger Bergparademarsch,

- Johanngeorgenstädter Bergmarsch.

Die Hauptabteilung Forstwirtschaft im Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft unterhielt ein Blasorchester von 38 Musikern. Die zahlreichen Jagdhorn- und Parforcehornbläsergruppen unterschiedlicher Stärke gehörten der Obersten Jagdbehörde, einem Teil der Forstwirtschaft, an. Als Anhaltspunkt für die in der DDR bestehenden Gruppen (Gesamtzahl) mag das Beispiel Sachsen (16 Gruppen) dienen. Die Orchester / Kapellen der Freiwilligen Feuerwehr waren zum großen Teil zahlenmäßig und leistungsmäßig nicht sehr stark. Sie hatten sich vorwiegend in Dörfern und Kleinstädten gebildet. Unterstellt waren sie wie die Berufsfeuerwehr dem Ministerium des Inneren.

BETRIEBSORCHESTER

Nachdem in der ersten Hälfte der 50er Jahre der Wiederaufbau, Neustrukturierung, Neuaufbau von Betrieben und Kombinaten im wesentlichen abgeschlossen war, kam es zu zahlreichen Gründungen und Wiedergründungen von Betriebsblasorchestern. Auf Grund der günstigen Förderbedingungen, die die Betriebsleitungen boten, konnten sich im Laufe der Zeit viele Blasorchester zu hervorragenden Klangkörpern entwickeln, obwohl insgesamt der Leistungsstand sehr unterschiedlich war. Die Betriebe stellten ihren Orchestern unentgeltlich Orchesterräume zur Verfügung, sorgten je nach ihren Möglichkeiten für Finanzmittel, für Bekleidung, Instrumente, Notenmaterial und sonstigen Orchesterbedarf. Damit war für die Orchester die Verpflichtung zur künstlerischen Qualifizierung verbunden, ebenso die musikalische Gestaltung aller betrieblichen Veranstaltungen. Die Erfüllung der Auflagen der Orchester unterlag einer ständigen Kontrolle durch die Kulturabteilungen / den Kulturbeauftragten der Betriebe (z.B. Regelmäßigkeit der Proben). Für Probenlager (Wochen- oder Wochenendlehrgänge) konnten die Betriebsferienheime genutzt werden. Dafür und auch für Proben und Auftritte während der Arbeitszeit wurden die Orchestermitglieder von der Arbeit / dem Dienst bei voller Lohnfortzahlung freigestellt. Für Auftritte / Veranstaltungen außerhalb der Betriebe und außerhalb der Arbeitszeit konnten Honorarverträge auf der Grundlage des Gesetzblattes der DDR, Teil II, Nr. 48, 1971 abgeschlossen werden. Die eingespielten Gelder wurden an die Orchestermitglieder ausgezahlt oder zu gemeinsamen Unternehmungen verwendet (Ausflüge mit Familienangehörigen, Orchesterfeiern usw.). Die Alterszusammensetzung war gemischt. Die Orchester setzten sich meistens nicht nur aus Betriebsangehörigen zusammen. Oft gehörten auch Amateurmusiker kleinerer Betrieb, die keine eigenes Orchester hatten, dazu. Nachwuchs wurde aus Schülern umliegender Schulen geworben. Die Nachwuchsgruppen erhielten in der Regel Unterricht durch Musiker aus Berufsorchestern oder durch Lehrer von Musikschulen (Honorarbasis). Es herrschte ständiger Bedarf an qualifizierten Dirigenten. Ansprechpartner in allen Belangen der Orchester waren die Kreis- und Bezirksarbeitsgemeinschaften für Blasmusik (KAG, BAG). Diese Gremien hatten die Verpflichtung, den Orchestern in allen Fragen und Problemen, auch bei Konflikten mit den Trägerbetrieben, zu helfen. Die leistungsstärksten Orchester waren:

- Orchester der Seereederei Rostock,

- Orchester des Fährhafens Saßnitz,

- Blasorchester der Uhrenwerke Ruhla / Thüringen,

- Blasorchester der Keramischen Werke Hermsdorf / Thüringen,

- Blasorchester der Leuna-Werke,

- Zentrales Orchester des Berliner Bauwesens,

- Blasorchester Schwermaschinenbau Magdeburg,

- Orchester der Zementwerke Rüdersdorf / Bezirk Frankfurt-Oder.

- Reichsbahnorchester Cottbus,

- Reichsbahnorchester Leipzig.

STADTORCHESTER / DORKAPELLEN

Die Bedingungen für die Stadtorchester und Dorfkapellen waren in vielen Beziehungen denen der Betriebsorchester ähnlich. Finanziell standen sich nicht alle dieser Klangkörper so günstig wie die Betriebsorchester. Sie wurden unterstützt von den zuständigen Stadt- oder Kulturämtern oder auch von Trägerinstitutionen. Von den eingespielten Summen wurde ein Teil an die Musiker ausgezahlt und ein Teil für Orchesterbedürfnisse verwendet. Der Nebenverdienst war den Musikern sehr willkommen. Die Spielbereiche erstreckten sich auf alle städtischen oder ländlichen Anlässe. Dementsprechend gestaltete sich das Repertoire, wobei die Besetzung und die personelle Stärke mit ausschlaggebend waren. In den Dörfern / ländlichen Gegenden dominierten die kleineren Besetzungen. Einen großen Teil ihrer Einsätze bildete Tanzblasmusik, die auch die meisten Einnahmen brachte, die für ihre Existenz nötig waren. Dazu kam bei vielen dieser Kapellen Unterstützung durch Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG). Das musikalische Niveau dieser kleinen Besetzungen differierte sehr stark. Neben unakzeptablen Gruppen (sog. „Geldmachern“) gab es viele exzellente kleine Kapellen, die bei regionalen und zentralen Wettbewerben immer wieder Preise errangen, z.B. die „Wariner Blasmusik“ (Bezirk Schwerin), die „Neusitzer“ (Thüringen), die „Eimberg-Musikanten“ Kottengrün (Vogtland), die „Elbtaler“ (Dresden), die „Wernesgrüner Blasmusikanten“ (Vogtland). Auch in den meisten größeren Blasorchestern existierten kleine Tanzblasbesetzungen. Zu den herausragenden Stadtorchestern, die auch eine lang zurückreichende Tradition aufzuweisen hatten, zählten.

Stadtorchester Markneukirchen (gegründet 1853),

Stadtorchester Klingenthal (gegründet 1866),

Gemeinschaftsblasorchester Bad Brambach (gegründet 1888),

Blasorchester der Musikschule Oranienburg (bei Berlin),

Blasorchester Leipzig (nicht identisch mit dem Rundfunk-Blasorchester).

Im südlichen Teil der DDR genoss die Blasmusik einen anderen Wertestand als im Norden, deshalb waren die Blasorchester im Süden auch wesentlich zahlreicher und leistungsfähiger.


Zu den sächsischen Blasorchestern, die in das Zentrale Musikkorps der FDJ berufen worden waren, zählten auch die Jugendblasorchester Neuwürschnitz, Meißen und Lucka.

REPERTOIRE / MUSIKVERLAGE

Das Blasmusikrepertoire wurde zum Teil durch die gesellschaftlichen Bedingungen in der DDR beeinflusst.

Bei besonderen staatlichen Anlässen war erwünscht, dass einige „fortschrittliche sozialistische“ Titel gespielt wurden. Dementsprechend waren die Programmkonzeptionen gestaltet.

Bei allen anderen Veranstaltungen nahm man das nicht so eng, direkte politische Auflagen gab es dafür nicht. Sie wurden nicht reglementiert. Es wurde das gespielt, was der jeweiligen Veranstaltung angemessen war (Volksfeste, Frühschoppen, Betriebsfeste, Festumzüge, Unterhaltungskonzerte, festliche Konzerte usw.)

Bis in die ersten 50er Jahre konnten die Orchester nur auf das noch vorhandene frühere Notenmaterial für Blasmusik zurückgreifen. Man war darauf angewiesen, damit die Programme zu gestalten.

Die teilweise veraltete Titelauswahl und auch Form, Anlage und Satzweise der Bearbeitungen genügten bald nicht mehr den Ansprüchen der Orchester und des Publikums.

Aus dieser Notlage heraus entstanden verhältnismäßig schnell neue Arrangements / Bearbeitungen und nach und nach auch neue Originalkompositionen für Blasorchester.

Auch bei Komponisten des sinfonischen Bereiches wuchs zunehmend das Interesse an konzertanter Blasmusik.

Neue Stilelemente der sinfonischen, der Unterhaltungs- und Tanzmusik fanden Eingang in Kompositionen und Arrangements. Einfühlsam geschriebene Transkriptionen bereicherten darüber hinaus die Programme.

Viele der anspruchsvollsten Kompositionen sind nach der „Wende“ in westdeutschen Musikverlagen im Druck erschienen, oft unter anderem Titel.

Probleme bereitete damals die Verbreitung der neuen Kompositionen und Arrangements, um damit den hohen Bedarf der Orchester einigermaßen befriedigen zu können.

Die Vervielfältigung des Notenmaterials geschah in teils mühseliger Weise. Die verbreitetetste Methode war das gegenseitige Abschreiben, die deutlichste, aber verhältnismäßig teure Art, war die Fotokopie. Erst in den 80er Jahren standen Kopierapparate zur Verfügung.

Durch die staatliche Abgrenzung gegenüber den westlichen Ländern war es kaum möglich, dort entstandene Blasmusikliteratur zu erhalten. Das wurde noch durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt:

„Grundlegende Regelung auf dem Gebiet der Unterhaltungs- und Tanzmusik“ vom 2. Januar 1958.

„Anordnung über die Ausübung von Tanz- und Unterhaltungsmusik“ vom 15. Juni 1964.

Diese Verordnungen galten auch für alle Blasmusikveranstaltungen. Der wichtigste Punkt dieser Verordnung legte fest, dass bei allen Veranstaltungen 60% Ostkompositionen, einschließlich freier Werke, und nur 40% Westkompositionen gespielt werden durften.

Zu „Ost“ gehörten die Sowjetunion, die Tschechoslowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Polen. Was zu den 40% „West“ gehörte, war genau definiert.

Verstöße gegen diese Verordnung wurden durch die AWA (Anstalt zur Wahrung der Aufführungsrechte, vergleichbar der GEMA) geahndet. - 1-

Deshalb wurden gute Blasmusikwerke aus den genannten Oststaaten, oft neu bearbeitet, gern von den Orchestern übernommen.

Vor allem wurden die tschechischen Polkas, Märsche und Walzer, nicht nur von den kleinen Kapellen, oft gespielt.

Trotz der Festlegungen der Verordnung wandten die Orchester alle Tricks an, um dieselbe zu umgehen.

Die Musikverlage brachten nur begrenzt Blasmusikliteratur heraus. Die Druckkapazität der Musiksparten (Schulwerke, Kammermusik, sinfonische Musik, Unterhaltungs- und Tanzmusik, Blasmusik usw.) war limitiert.

Blasmusikausgaben hatten keinen Vorrang. Gedruckt wurden vorwiegend Titel aus dem gebiet der Unterhaltungsmusik, kleine konzertante Titel, Märsche usw.

Anspruchsvolle konzertante Kompositionen und Spezialarrangements kursierten in der schon genannten Weise.

Musikverlage, die Blasmusik edierten:

- VEB Friedrich Hofmeister Musikverlag Leipzig, (VEB = Volkseigener Betrieb)

- VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig,

- Harth Musik Verlag Leipzig,

- VEB Leid der Zeit Berlin,

- Verlag Neue Musik Berlin,

- Zentralhaus für Kulturarbeit Leipzig.

KOMPONISTEN, ARRANGEURE, AUFTRAGSWESEN, DISKUSSIONSKONZERTE

Zwischen den Orchestern und Komponisten / Arrangeuren hatte sich ein enges Verhältnis entwickelt. Wesentlichen Anteil an dieser fruchtbaren Zusammenarbeit hatte die Kommission Blasmusik des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler, deren Vorsitzender der Komponist Klaus-Peter Bruchmann war. Dadurch wurde ein persönliches Kennenlernen und ein für beide Seiten konstruktives Schaffen ermöglicht.

Die Wünsche der Orchester und die Intentionen der Komponisten / Arrangeure konnten weitgehend berücksichtigt werden.

Den Arrangeuren / Bearbeitern fiel dabei eine umfangreiche und dringend benötigte Arbeitsleistung zu.

Die ZAG (Zentrale Arbeitsgemeinschaft) Blasmusik spielte bei der Entwicklung und Gestaltung dieser Beziehungen ebenfalls eine aktive Vermittlerrolle.

So wurde allmählich ein neues zeitgemäßes und auch das musikalische Erbe berücksichtigendes Blasmusikrepertoire geschaffen.

Da in den beiden lenkenden Gremien anerkannte Fachleute (Komponisten, Arrangeure, Dirigenten von Berufsorchestern - Militär, Polizei - und auch von Amateurorchestern) saßen, konnten von ihnen praxisverbundene Impulse zur Hebung der künstlerischen Qualität und Wirksamkeit ausgehen.

Von staatlicher Seite wurde diese Initiative finanziell gefördert. Es wurden den Organisationen, Vereinigungen, Institutionen, Betrieben usw. Gelder für Auftragswerke zugewiesen. Der übliche Verlauf war allgemein folgender: Der Leiter / Dirigent des Orchesters wandte sich an einen Komponisten / Arrangeur, teilte ihm seine Vorstellungen (Themen, Anlage, Umfang) mit; man einigte sich über Honorar und Fertigstellungstermin.

Im anderen Fall kam der Komponist / Arrangeur zum Orchester, stellte seine Idee vor oder bot ein fertiges Werk an.Dabei kamen sich beide Seiten auch persönlich näher und es entstand eine gegenseitig befruchtende Beziehung. Es wurden nicht immer schriftliche Verträge abgeschlossen. Oft genügte die mündliche Absprache.

Bei größeren Werken sollte die Honorarzahlung in 3 Raten erfolgen. Das 1. Drittel wurde bei Auftragserteilung gezahlt (quasi Arbeitshonorar), das 2. Drittel nach Vorlegen des ausgearbeiteten Konzeptes (Exposè) und die 3. Rate nach Fertigstellung des Werkes.

Bei besonders engen Beziehungen zwischen Orchestern und Komponisten / Arrangeuren nahm man das nicht so genau.

Wurde ein Expose vom Orchester abgelehnt, konnte der Komponist die 1. Rate behalten, die weiteren Zahlungen entfielen. Es entstand die Gefahr, dass sich auf Grund der Belastung der Komponisten / Arrangeure einen gewisse Routine einschlich.

In regelmäßigen Diskussionskonzerten (Komponistenwerkstätten) wurden von namhaften Berufsblasorchestern (Armee, Polizei, Rundfunk-Blasorchester Leipzig) die neuen Werke vorgestellt. Diese auf zentraler und auch auf regionaler Ebene durchgeführten Veranstaltungen fanden bei den Orchesterleitern großen Anklang und trugen wesentlich zur Verbreitung der neuen Werke bei. Dazu lud man auch Kulturfunktionäre der Organisationen, Vereinigungen, Kombinate usw. ein, um sie mit den Titeln bekannt zu machen.

Die Komponisten / Arrangeure waren an diesen Konzerten / Werkstätten sehr interessiert, da sie dabei selbst ihr Schaffen vertreten konnten. Durch Gespräche mit den zukünftigen Interpreten über ihre Werke bekamen sie enge Verbindung zur Praxis.

VERANSTALTUNGEN, EINNAHMEN, LEISTUNGSVERGLEICHE, EINSTUFUNGEN

Die Klangkörper aller Sparten (BO; SZ usw.) waren bei Veranstaltungen jeglicher Art vertreten. Das spricht für die damalige Breite und Beliebtheit der Blasmusik. Dabei war auch das Zusammenwirken mit Chören und Gesangssolisten nicht selten.

Die Orchester waren berechtigt laut Gesetzblatt der DDR, Teil II, Nr.48 / 1971 mit dem Veranstalter Verträge über Honorare („Förderbeiträge“) abzuschließen.

Diese Summen waren nicht hoch und staffelten sich nach personeller Stärke und Leistungseinstufung des Orchesters.

Diese Vorschriften wurden oft umgangen und Pauschalsummen vereinbart. Die Erwachsenenorchester betrachteten die Einspielsummen als Nebenverdienst. Das traf vor allem auf die kleineren Besetzungen für Tanz- und Unterhaltungsmusik zu, denn die Honorare dafür wurden generell an die Musiker ausgezahlt.

Die Jugendblasorchester dagegen zahlten allgemein nichts an die Orchestermitglieder aus, sondern verwendeten diese Gelder für gemeinsame Geselligkeit, was im wesentlichen dem heutigen Vereinsleben entsprach.

Für die Durchführung von Leistungsvergleichen waren auf regionaler Ebene die Kreis- und Bezirkskabinette für Kulturarbeit und auf zentraler Ebene das Zentralhaus für Kulturarbeit (Leipzig) verantwortlich. Einschätzungen sollten möglichst aller zwei Jahre vorgenommen werden. Die Einstufungen erfolgten in drei Kategorien:

Grundstufe, Mittelstufe, Oberstufe.

In diesen Stufen konnten die Prädikate:

mit ausgezeichnetem Erfolg teilgenommen,

mit sehr gutem Erfolg teilgenommen,

mit gutem Erfolg teilgenommen,

teilgenommen,

vergeben werden.


Auf Grund der zuerkannten Leistungsstufe waren die Orchester berechtigt, pro Person und Veranstaltung zu veranschlagen:

Grundstufe bis zu 4,- Mark,

Mittelstufe bis zu 6,- Mark,

Oberstufe bis zu 10,- Mark.


Gewertet wurde nach folgenden Kriterien und Punktzahlen:

Tongestaltung 20

140 Punkte

========


Punkte / Prädikate:

130 – 140 Punkte = ausgezeichneter Erfolg,

115 – 129 Punkte = sehr guter Erfolg,

100 – 114 Punkte = guter Erfolg,

bis 99 Punkte = teilgenommen.

Für mehrjährige besondere musikalische Leistungen konnten Klangkörper mit staatlichen Titeln ausgezeichnet werden.

Für überragende Leistungen konnte der

verliehen werden.

Die Höhe der Preise betrug für Einzelpersonen

I. Klasse bis zu 5000,- Mark,

II. Klasse bis zu 3000,- Mark

Für Kollektive je nach Struktur

I. Klasse 5000,- Mark bis zu 15000,- Mark

II. Klasse 3000,- Mark bis zu 10000,- Mark

FESTIVALS, SPORTFESTE, ARBEITERFESTSPIELE

Festspiele aller künstlerischen Bereiche erhielten staatliche Unterstützung und hatten regen Publikumszuspruch. (z.B.: Fest des Liedes und des Tanzes, Fest des Volkstanzes, Festtage zeitgenössischer Musik, Berlin-Biennale, DDR-Musiktage, Bezirks-Musiktage, Chorfeste / Sängertreffen.)

Großen Anklang fanden ebenfalls die zahlreichen Kreis- und Bezirksblasmusikfeste, sowie die großen zentralen Blasmusiktreffen (z.B.: Zentrales Blasmusikfest der DDR in Ruhla/Thüringen, Ostseetreff Rostock), die alle in einem bestimmten Turnus stattfanden. Angeschlossen waren bei diesen Festen oft auch Leistungseinstufungen. Die Orchester hatten dazu ein Programm von 30 Minuten vorzustellen. Die Beteiligung der Orchester an den Festen war ausnahmslos sehr gut.

Auch bei den zentralen Turn- und Sportfesten der DDR in Leipzig (Zentralstadion mit 100000 Plätzen) übernahmen die Blasorchester und Spielmannszüge einen wesentlichen Teil der Schaudarbietungen. (Eröffnungsveranstaltung, musikalische Begleitung der Massenübungen der Sportverbände, Festumzug, Abschlussveranstaltung.)

Besondere Höhepunkte aller Kulturfestivals waren die Arbeiterfestspiele. Diese zentralen Großveranstaltungen wurden ab 1959 jährlich und ab 1972 aller zwei Jahre in immer einem anderen Bezirk durchgeführt und dauerten vier Tage.

ca. 5000 Berufskünstler, 287 Veranstaltungen, laut Statistik 650000 Besucher.

Besucher.

3,5 Millionen Besucher.

In allen Bezirken bis zu 12 Festspielzentren.

Einbezogen in diese Festspiele waren alle künstlerischen Bereiche und außer Amateurensembles (Volkskunst) auch Berufskünstler. Einen bedeutenden Platz nahm die Blasmusik ein (Amateurblasorchester und die Berufsblasorchester der Armee und Polizei.)

Für die dabei angesetzten Wettbewerbe fanden im Vorfeld Auswahlleistungsprüfungen im Kreis- und Bezirksmaßstab statt. Die ermittelten Besten erhielten die Delegierung zum zentralen Wettbewerb. Die Sieger dieses Wettbewerbes wurden mit Preisen und Goldmedaillen ausgezeichnet, wobei sich die Interpretation zeitgenössischer Blasmusikwerke günstig auf die Bewertung auswirkte. Die Goldmedaillen waren als Zeichen der Anerkennung der künstlerischen Leistung sehr begehrt.

AUS – UND WEITERBILDUNG, SPEZIALSCHULE

Die Aus- und Weiterbildung der Instrumentalisten erfolgte zum größten Teil durch Honorarlehrer aus Berufsorchestern. Dafür standen den Orchestern durch ihre Trägerinstitutionen / - betriebe und Vereinigungen Finanzmittel zur Verfügung. Viele Blasorchester bildeten auf dieser Basis ihren Nachwuchs selbst aus. Die jungen Nachwuchsbläser waren neben dem Einzelunterricht auch in Spielgruppen oder Nachwuchsorchestern zusammengefasst, um in die Orchesterpraxis eingeführt zu werden. Hatten sie das erforderliche Können erreicht, wurden sie feierlich in das Hauptorchester aufgenommen. Auch danach war weiterbildender Unterricht üblich.

Die Heranbildung von Dirigenten erfolgte durch Elementarlehrgänge der Bezirkskabinette für Kulturarbeit. Die weitere Qualifizierung der Anfänger und die Weiterbildung schon praktizierender Dirigenten fand in der „Spezialschule für Leiter im künstlerischen Volksschaffen – Blasmusik“ satt. Studienanstalten waren die Kulturakademien einiger Bezirke. Der Lehrgang erstreckte sich über 2 Jahre, gegliedert in 3 Studienabschnitte mit insgesamt 8-10 Fünf-Tagesdurchgängen.

Als Dozenten wurden Berufskapellmeister und Musikwissenschaftler vertraglich gebunden (Honorarbasis).

Die Studienbewerber wurden von ihren Trägerinstitutionen / - betrieben usw. zum Lehrgang delegiert, von ihrer Berufstätigkeit dafür freigestellt und erhielten weitgehende finanzielle Unterstützung (Studiengebühr, volle Lohnfortzahlung, Fahrpreisermäßigung für Bahnfahrten von 75 % = 2 Pfennig pro km, da damals 1 km 8 Pfennig Fahrpreis betrug).

Damit verband sich eine Verpflichtung und ein bestimmter Leistungsdruck. Nach erfolgreicher Beendigung des Studiums erhielten die Absolventen einen staatlich anerkannten Abschluss als Dirigent für Amateurblasorchester.

Trotz aller Bemühungen und Förderung konnte dadurch dem Mangel an qualifizierten Dirigenten nicht abgeholfen werden.

Ein Teil der Dirigenten qualifizierte sich auch durch Privatunterricht bei Berufskapellmeistern. Die Honorare dafür übernahmen ebenfalls die Träger.

Die Kapellmeister und Musikdirektoren der Militärmusikkorps und der Polizeimusikkorps waren durch Patenschaften verpflichtet, ausgewählte Amateurblasorchester zu betreuen.

MUSIKSCHULEN

Das Verhältnis der Blasorchester zu den Musikschulen war trotz staatlicher Verordnung allgemein nicht befriedigend. Nur wenige Musikschulen pflegten eine enge Verbindung zu einem Blasorchester ihres Einzugsbereiches und übernahmen die Ausbildung der zugehörigen Musiker.

Die „Verfügung und Mitteilung Nr. 6/1977“ des Ministeriums für Kultur legte folgende Proportionen der Instrumentalfächer für die Musikschulen fest:

50 % Streich- und Blasinstrumente sowie Schlagzeug,

25 % Klavier,

8 % Gesang,

17 % Volksmusikinstrumente (Akkordeon, Mandoline, Gitarre, Blockflöte).

Obwohl das günstige Voraussetzungen für Bläserausbildung bot, wurde der Prozentsatz selten erfüllt. Ein Grund dafür war akuter Mangel an qualifizierten hauptamtlichen Bläserlehrern (Holz und Blech). Ein anderer Grund war die Überzahl von Bewerbern für die genannten Volksmusikinstrumente, die die Schülerproportionen zu Ungunsten der Bläser verschob. Deshalb hatten nur einige wenige Musikschulen leistungsfähige, gut besetzte Blasorchester.

Die meisten Musikschulen besaßen nur kleinere, unzulänglich besetzte Bläsergruppen, die sich aus den belegten Instrumentalfächern ergaben ( Überzahl an Trompeten, Klarinetten -kaum Waldhörner, Tenorhorn, Bariton, Tuba - Mangel an Oboen, Fagotten).

Trotzdem beharrten diese Musikschulen auf eigenen Bläserensembles und wichen einer Zusammenlegung mit außerschulischen Blasorchestern immer wieder aus.

MUSIKINSTRUMENTENBAU

Der Musikinstrumentenbau konnte in einigen Gebieten der ehemaligen DDR auf eine lange Tradition zurückblicken: in Leipzig, Dresden und vor allem im vogtländischen „Musikwinkel“ Markneukirchen / Klingenthal.

Das wirkte sich für die Orchester bei der Beschaffung von guten und preiswerten Instrumenten besonders günstig aus.

Viele Orchesterleiter hatten persönlichen Kontakt zu Instrumentenbaumeistern. Bei Grossaufträgen der Organisationen wurde erheblicher Rabatt gewährt. Wartezeiten waren auf Grund der Belastung der Musikinstrumentenindustrie allerdings möglich.

Hervorragenden Instrumentenbaumeistern konnte der Titel „Anerkannter Kunsthandwerker“ verliehen werden.

Instrumente stellte man in verschiedenen Güteklassen her: z. B. für Anfänger, gute Mittelklasse und Meisterinstrumente.

STELLUNG DER MEDIEN, PRESSE, RUNDFUNK, FERNSEHEN

Die Volkskunst als staatlich bevorzugt geförderter Teil der „sozialistischen“ Kultur fand auch in den Medien die ihr gebührende Würdigung. In der Volkskunst nahm die Amateurblasmusik einen bedeutenden Platz ein.

Die Lokalpresse berichtete über die regionalen Blasmusikereignisse. Der großen zentralen Veranstaltungen nahmen sich die republikweiten Tageszeitungen und auch das Fachorgan des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler „Musik und Gesellschaft“ an. (Rezensionen, Werkanalysen, Komponistenporträts, Entwicklungstendenzen.)

Eine spezielle Blasmusikzeitung existierte nicht.


Die Schallplattenindustrie („Amiga“, Eterna“) produzierten fast ausschließlich Aufnahmen mit den Berufsblasorchestern (Rundfunk-Blasorchester, Musikkorps des Militärs und Polizei).

CD`s waren noch nicht üblich, deshalb spielte der Rundfunk bei der Popularisierung von Blasmusik eine wesentliche Rolle.

Hauptsächlich „Radio DDR“ und der „Berliner Rundfunk“ brachten Blasmusiksendungen.

Ab Mitte der 60er Jahre sendete „Radio DDR“ unter dem Motto „Wir spielen für euch“ jede Woche von Montag bis Freitag, jeweils 14.00 bis 15.00 Uhr Blasmusik. Dabei erklangen auch Aufnahmen von führenden Amateurblasorchestern. Auch Direktübertragungen und Mitschnitte von Blasmusikkonzerten wurden in das Sendeprogramm aufgenommen (z.B. „Tage der Blasmusik des Rundfunks“ in Schlema / Erzgeb.).

An einem Sonntag im Monat wurden von 13.00 bis 14.00 Uhr unter dem Titel „Blasmusik exquisit“ neue Blasmusikkompositionen vorgestellt.

In beliebten Fernsehsendungen (Direkt und Aufzeichnungen) wie „Ein Kessel Buntes“, „Vorwiegend heiter“, „Wernesgrüner Musikantenschänke“, traten auch Amateurblasorchester auf. Bei speziellen Blasmusiksendungen wie „Mit Pauken und Trompeten“ waren neben Berufsorchestern auch Amateurorchester einbezogen.

Die monatliche Sendung „Von Polka bis Parademarsch“ gestalteten nur die Musikkorps der Armee und der Polizei.

Dieser Bericht soll einen Überblick über 40 Jahre Blasmusikgeschehen in der ehemaligen DDR geben. Der gestellte Rahmen gestattet nicht, bei allen Themenbereichen ins Detail zu gehen.