Wir spielen für euch
Wir spielen für euch | |
Interpret: | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern der DDR |
Plattenfirma: | BARBArossa Musikverlag |
Erscheinungsdatum: | 2008 |
Typ: | CD, Album |
Katalognummer: | EdBa 014522 |
Labelcode (LC): | 04022 |
EAN Barcode: | 4 019774 145226 |
Beteiligt: | Fotos: Privat Helmut Sommer, Archiv, Cover-Design: Frank Wonneberg |
Einlegertext
Zur Einführung
Mit dieser dritten CD mit Musik des Zentralen Orchesters des Ministeriums des Innern (ZO des MdI) wird einerseits die Dokumentation dieses Orchesters erweitert und in erster Linie unterhaltende Musik in brillanten Aufnahmen vorgestellt, aber auch volkstümliche Klänge, zündende, handverlesene Märsche sowie ansprechende sinfonische Blasmusik. Damit wird die Reihe der Einspielungen von Militärorchestern der früheren DDR auf eine noch breitere und somit aussagekräftigere Grundlage gestellt. Dem Liebhaber der Militär- bzw. Blasmusik wird erneut ein Tonträger übergeben, der die hohe Leistungsfähigkeit der Orchester von Armee und Polizei eindringlich belegt und wie er auch von der internationalen band community bereits erwartet wurde. Schließlich gibt es noch einen Grund, welcher die Freunde dieser Dokumentation in freudige Erwartung versetzen dürfte, denn die vorliegende CD »Wir spielen für euch« wird nicht den Schlusspunkt dieser Produktion markieren, sondern es wird noch ein weitererTonträger folgen, der dem Marsch gewidmet sein wird.
Die Interpreten
Mit Weisung vom 11. Oktober 1948 verfügte der Polizeipräsident in (Ost)-Berlin die Aufstellung eines Musikkorps der Schutzpolizei unter Musikleiter Willi Kaufmann. Das ursprünglich nur 30 Musiker zählende Orchester sollte bereits zum Ende des Monats Oktober berichten, »ob das Orchester der Schutzpolizei nach dem Ergebnis der Musikproben in der Öffentlichkeit auftreten kann«. Völlig klar dürfte zudem sein, dass sich der Orchesteraufbau zunächst personell und instrumentell am sowjetischen Vorbild orientierte. Schon bald wurde das Orchester aufgrund seiner Aktivitäten ein Begriff und sein Dirigent, der spätere Musikinspizient und Oberst MD Willi Kaufmann, wurde von seinem Publikum liebevoll als »Pauken-Willi« angesprochen. Will man den ersten Dirigenten des Orchesters besonders herausstellen, dann ist jene Konzertreise nach China im Jahre 1954 zu nennen, aufgrund der Willi Kaufmann dann eine Zeitlang als »Lehrer für Blasorchester der Chinesischen Volksbefreiungsarmee « fungierte und für seine Arbeit mit dem »Orden der Helden der Chinesischen Volksbefreiungsarmee « ausgezeichnet wurde.
Im April 1958 erfolgte die Umbenennung in Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern (ZO des Madl). Wie bei allen großen Militärorchestern der DDR gab es für das ZO des MdI ein umfassendes Betätigungsfeld, zu dem noch zahlreiche Rundfunk- und Fernsehauftritte sowie Tonträgereinspielungen hinzu traten. Auch Reisen in das verbündete Ausland wurden durchgeführt, wo die Musiker des ZO des MdI stets gern gesehene Gäste waren. Da es in Berlin nach der Wiedervereinigung keine zwei Polizeiorchester geben konnte, wurde das ZO 1992 aufgelöst.
Das Zentrale Orchester des Ministeriums des Innern wurde geleitet von:
MD Oberstleutnant Willi Kaufmann (1948-1970)
MD Oberstleutnant Wolfgang Arendt (1970-1976)
MD Oberstleutnant Franz Thurig (1976-1980)
GMD Oberst Helmut Sommer (1980-1991)
Oberstleutnant Ronald Sandner (1991-1992)
Während seines Bestehens gehörte das Zentrale Orchester des Ministeriums des Innern ohne Zweifel zur absoluten Spitzengruppe unter den Polizeiorchestern in Ost und West. Es war - und darüber kann es keine Diskussion geben - auf gleicher künstlerischer Ebene angesiedelt wie etwa die Prager Burgmusik oder das Zentrale Orchester des MWD der damaligen Sowjetunion und jederzeit vergleichbar mit Spitzenformationen im Westen wie etwa dem Orchestre d’Harmonie des Gardiens de la Paix aus Paris oder der Banda dei Vigili Urbani aus Rom. Insoweit hat die Polizeimusik nach Auflösung des ZO des MdI einen seiner überragenden Repräsentanten verloren.
Zur Musik
Feurig und voller Schwung eröffnet das ZO des MdI die CD mit dem Marsch »Wir spielen für euch« des vielseitigen Komponisten Siegfried Bethmann (1915-1993). Er ist auf der CD noch mit zwei weiteren Kompositionen vertreten, nämlich dem Walzer »In frohen Tagen« und den ansprechenden Variationen über ein polnisches Volkslied »Dolina, Dolina«. Es war diese besondere Musik, die zwischen brillanter Unterhaltung und konzertantem Anspruch steht, welche einen großen Teil des Repertoires der uniformierten Kapellen der DDR ausmachte und ihren internationalen Ruf begründete. Wie Siegfried Bethmann arbeiteten noch weitere bekannte Komponisten der DDR, die sich keinesfalls ausschließlich mit Blasmusik auseinandersetzten, gezielt für die Spitzen-Militärorchester, vor allem die in Berlin. Es ist zudem bemerkenswert, dass sich - Gott sei Dank! - ein Großteil dieser Musik erhalten hat. Mit zum Teil »demokratisierten« Titeln gehört sie heute längst zum Standardrepertoire der Blasorchester in der Bundesrepublik und ist von diesen bei ihren Konzertreisen ins europäische Ausland auch dort aufgeführt und somit bekannt gemacht worden. Etliche Komponisten, die schon in der DDR für die großen Militärorchester arbeiteten, fanden sich später zusammen mit Kollegen aus den alten Bundesländern im so genannten Borgsdorfer Kreis. Seit Jahren ist es erfolgreich voran getriebenes Anliegen dieser Gruppierung, der gehaltvollen Blasmusik eine Lanze zu brechen.
Wolfgang Schumann und Klaus-Peter Bruchmann sind weitere Komponisten dieser Vereinigung, die auf der vorliegenden CD des ZO des MdI mit ihren Werken vertreten sind. Wolfgang Schumann (*1927) hören wir hier mit seinem prickelnden »Allegro furioso« und Klaus-Peter Bruchmann (*1932) mit dem überaus reizvollen »Crescendo«. Man wird diesem Komponisten von Format keinen Tort antun, wenn man im Zusammenhang mit diesem Stück anmerkt, dass die atmosphärische Nähe zu Maurice Ravels »Bolero« nicht zu überhören ist. Wie dem auch sei, ist »Crescendo« eines der überzeugendsten Werke aus dem konzertanten Repertoire der DDR-Militärorchester und es ist das Verdienst der Edition Barbarossa, dieses Stück in den richtigen Rahmen gestellt zu haben.
Von besonderer Bedeutung sind auch jene rein oder überwiegend solistisch angelegten Stücke wie die »Posaunismen « von Wolfgang Latarius, den wir vor allem über seine Arbeit für das Rostocker Stabsmusikkorps der Volksmarine kennen und die großartige »Solistenparade«, die auch heute noch in repräsentativen Konzerten zu begeisterten Ovationen führt. In diesem Potpourri der guten Laune brillieren Saxophone, Posaunen, Piccolo und Xylophon neben »böhmischen« Tenorhörnern und strahlendenTrompeten in Musik von Juri Saulski, Helmut Sommer und Dmitri Kabalewski. Unter den virtuosen Nummern für Solisten befindet sich allerdings auch ein »Fremdkörper«, wenn auch ein klassischer, denn »Trompeten auf Urlaub« oder richtig »Bugler’s Holiday« entstammt nicht originär dem Repertoire des ZO des Mdl, denn es wurde 1954 komponiert von Leroy Anderson (1908-1975), einem Amerikaner mit schwedischen Wurzeln. Er war in den USA berühmt geworden durch seine kurzen, originellen Konzertstücke, die er ab 1936 auf Anregung von Arthur Fiedler für das Boston Pops Orchestra komponiert hatte.
Im Repertoire der großen DDR-Militärorchester hat Musik aus Böhmen zu Recht immer eine Rolle gespielt als wesentlicher Teil der Unterhaltung. Das wird auch auf der vorliegenden CD berücksichtigt mit den »Walzerklängen aus Böhmen«, die von verschiedenen Komponisten stammen und einer klassischen Polka, nämlich der »Koryschansker Polka« von Karel Vacek (1902-1982), einem der Großen dieses Genres. Wer weiß aber, dass Karel Vaceks erster Erfolg der Tango »Du schwarzer Zigeuner« war?
Es ist in der Militärmusik gute Tradition, dass die Chefs der Orchester für ihre Musikkorps »auf den Leib schneidern «. Brillante und beliebte Beispiele dieses Schaffens sind auf der CD »Wir spielen für euch« Helmut Sommers unverwüstlicher »Estradengalopp«, der längst auch außerhalb Deutschlands heimisch wurde, etwa im Repertoire der Militärmusik Salzburg oder seine schwungvollen »Bläserlaunen«. In diese Musikgruppe lässt sich auch problemlos Ernst Eggerts »Stürmende Jugend« einordnen, ein temperamentvolles Stück, das seinem Titel alle Ehre macht.
Natürlich spielte der Marsch bei einem Spitzenensemble wie dem ZO des MdI eine nicht wegzudenkende Rolle und hier werden denn auch einige überzeugende Perlen der Marschkunst vorgestellt. Da ist zunächst wieder Helmut Sommer zu nennen, der langjährige Chef des ZO mit seinem »Vivat Sanssouci« oder der klassisch-preußische Militärmarsch »Der Jäger aus Kurpfalz« von Gottfried Rode (1797-1857). Musikdirektor Rode leitete das Potsdamer Garde Jäger Bataillon und war als Verfechter der Waldhornmusik ein überzeugter Gegner des großen Reformators der preußischen Militärmusik, Wilhelm Wieprecht. Mit einem einzigen Marsch stieg der Zollbeamte Georg Meißner (1873-1949) auf in den Zenit der Marschkomponisten: es war sein großartiger Konzertmarsch »Zum Städele hinaus«, dessen gewaltiges Posaunentrio immer wieder das Publikum begeistert, vor allem wenn mit diesem Stück ein Konzert endet.
Es gehört zu den besonderen Verdiensten der Edition Barbarossa, dass in der Dokumentation der Militärmusik der NVA und nun der Volkspolizei immer wieder Stücke vorgestellt werden, die hier ihre Premiere erleben. Das heißt: Sie waren bislang auf keinem Tonträger vorhanden. Das trifft hier zu auf die »Marcia historica«, welche Gerhard Baumann (1921-2006) zusammenstellte. Er ist zwar auch Mitglied des Borgsdorfer Kreises gewesen und hat den Anspruch dieser Gruppe stets vertreten, hier aber tritt die Erfahrung und Meisterschaft des langjährigen Chef des Zentralen Orchesters der NVA klar in den Vordergrund. Im »Normalfall« müsste man die »Marcia historica« eigentlich als ein Marschpotpourri ansprechen. Bei Gerhard Baumann ist das nicht gerechtfertigt, denn schon die Auswahl der einzelnen »Marschbestandteile« verrät den Könner, der folgende Märsche musikalisch verwob: Den »Dessauer Marsch«, den »Pappenheimer«, den »Coburger« und den »Marsch I. Bataillon Garde (1806)«, deren Komponisten man nicht kennt. Dann den »(Wiener) Alexander Marsch« (de Persuis), »Des Großen Kurfürsten Reitermarsch« (v. Moltke), den »Kürassiermarsch ›Großer Kurfürst‹« (v. Simon), von unbekannten Komponisten den »Torgauer Parademarsch«, den „Marsch Herzog von Braunschweig«, den »Hohenfriedberger« und schließlich den »Marsch desYorckschen Korps (1813)« von Ludwig van Beethoven. Es ist faszinierend festzustellen, welche Teile er aus den genannten Märschen auswählte und welche Besetzungstypen er dafür vorsah. Gerhard Baumann schöpft hier alle Klangfarben des großen sinfonischen Blasorchesters nicht nur bestmöglich, sondern darüber hinaus mit großem Einfühlungsvermögen aus und formt aus einem »Potpourri« in derTat ein Stück aus einem Guss, eben eine »Marcia historica« der Spitzenklasse.
Werner Probst (2008)
Titelliste
Track | Titel | Komponist | Interpret | Zeit |
---|---|---|---|---|
1 | Wir spielen für euch | Siegfried Bethmann | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: MD Oberstleutnant Franz Thurig |
2:02 |
2 | Trompeten auf Urlaub | Leroy Anderson | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
2:28 |
3 | Vivat Sanssouci | Helmut Sommer | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
2:35 |
4 | Koryschansker Polka | Karel Vacek | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: MD Oberstleutnant Franz Thurig |
3:41 |
5 | Posaunismen | Wolfgang Latarius | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
3:20 |
6 | Marcia historica | Trad., arr. Gerhard Baumann | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
8:42 |
7 | Estradengalopp | Helmut Sommer | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
3:27 |
8 | In frohen Tagen | Siegfried Bethmann | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
4:25 |
9 | Dolina, Dolina | Siegfried Bethmann | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
3:22 |
10 | Solistenparade | Helmut Sommer, Juri Saulski, Dmitri Kabalewski | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
5:18 |
11 | Stürmende Jugend | Ernst Eggert | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: MD Oberstleutnant Wolfgang Arendt |
2:40 |
12 | Allegro furioso | Wolfgang Schumann | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
3:24 |
13 | Walzerklänge aus Böhmen | Trad. | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
4:32 |
14 | Bläserlaunen | Helmut Sommer | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: MD Oberstleutnant Franz Thurig |
3:24 |
15 | Crescendo | Klaus-Peter Bruchmann | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: MD Oberstleutnant Wolfgang Arendt |
6:56 |
16 | Zum Städele hinaus | Georg Meißner | Zentrales Orchester des Ministeriums des Innern
Leitung: GMD Oberst Helmut Sommer |
4.13 |